Dienstag, 7. Juni 2011

23. Bei Humor hört der Spaß auf

Helmut Schmidt war ein begnadeter Redner. Schon als junger Bundestagsabgeordneter verdiente er sich mit geschliffen formulierten und scharf vorgetragenen Debattenbeiträgen den ehrenvollen Namen "Schmidt-Schnauze". Und auch als Bundeskanzler zog er die Zuhörer in seinem Bann, ob er nun zu einer großen Rede anhub oder für eine kurze, beißende Intervention das Wort ergriff. Thilo von Trotha, einer von Schmidts vier bis fünf Redenschreibern, erzählte mir einmal, dass der Kanzler spätestens auf der zweiten Seite unten eine Stelle zum Schmunzeln im Manuskript stehen haben wollte.

Humor in einer Rede erhöht die Aufmerksamkeit, und wenn es gut läuft, erleichtert er sogar das Verständnis. Ein Mittel ist das Wortspiel. Der FDP-Abgeordnete Graf Lambsdorff sprach einmal im Bundestag darüber, dass das Parlament nicht repräsentativ zusammengesetzt sei, und brachte es witzig auf den Punkt: "Das Plenum ist mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer!" Eine humorige Redewendung nimmt einer Aussage die Schärfe, ohne an Deutlichkeit zu verlieren. "Sie werden kläglich versagen, wenn es um die Schuldenbremse geht!" kann man einem konkurrierenden Politiker entgegen halten. Es klingt aber netter und mindestens so klar, wenn man beispielsweise sagt: "Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, bevor Sie die Schuldenbremse einhalten!"

Wortspiele, Vergleiche, Analogien, Übertreibungen, Zitate - es gibt viele Möglichkeiten, eine Rede mit Humor zu würzen. Aber Vorsicht, beim Humor hört bekanntlich der Spaß auf! Ironie ist zum Beispiel eine gefährliche Zutat. Das Gegenteil von dem zu sagen, was man meint, und dennoch richtig verstanden zu werden, ist in der öffentlichen Rede riskant. Ironie kommt nur bei denen an, die einen Sinn dafür haben. Sie wird nur von denen verstanden, die sie decodieren können. Und wenn man als Redner dabei nachhilft, wird es leicht zu platt. Anders ist es bei Selbstironie: Das Publikum freut sich, wenn der Redner sich selbst auf den Arm nimmt, aber es sollte nicht selbstverliebt, eitel oder egozentrisch wirken.

Einen großen Bogen sollten Redenschreiber um Witze machen. Kaum etwas bei einem öffentlichen Auftritt ist so peinlich wie eine Pointe, die nicht zündet. Aber auch der beste Witz hat keine Zünd-Garantie, denn das Publikum kann abgelenkt, schlecht gelaunt oder einfach nur schwer von kapeè sein. Der Redner kann sich veratmen, falsch betonen oder es sonstwie schlecht rüberbringen. Im Übrigen besteht bei Witzen, die wirklich witzig sind, fast immer erhöhte Fettnäpfchengefahr. Wenn man einen guten und passenden Witz hat, kann man ihn dem Redner zum Manuskript beifügen, und er setzt ihn ein, wenn die Situation danach ist - d.h. vor allem, es ist ein gute Verbindung zwischen Redner und Publikum hergestellt, es herrscht eine freundliche Atmosphäre, die Zuhörer sind bereit, dem Redner ein Lachen zu schenken.

Ich selbst baue schon mal einen Witz in ein Redemanuskript ein, wenn es dem Zusammenhang dient, die Aussage klar und einschlägig ist und wenn das Publikum gut dabei wegkommt. In seiner ersten Rede vor den versammelten Verkehrsingenieuren seines Beritts erzählte der Verkehrsminister den Witz von den Managern, die bei einem Führungsseminar die Höhe eines Mastes ermitteln sollen und dabei kläglich scheitern. Dann kommen ein paar Ingenieure vorbei. Sie legen den Mast flach und messen ihn mit dem Bandmaß aus. Sagt ein Manager zum anderen: „Typisch Ingenieur! Wir wollen herauskriegen, wie hoch der Mast ist, und die sagen uns, wie lang er ist.“ Der Witz funktionierte in der Rede, denn der Minister nahm ihn als Vergleich dafür, wie verschieden die Sichtweisen auf ein Thema sein können.

Zu den genannte Gefahren von Ironie und Witz kommt noch eine weitere, seit sich Journalisten immer weniger Zeit zum Verstehen und zur treffenden Zusammenfassung nehmen und Medien immer schneller berichten, oft ohne Rücksicht auf den Zusammenhang und Nuancen. Nehmen wir einen Witz zur Hilfe: Helmut Kohl auf seiner ersten Reise nach New York. Berater warnen ihn vor raffinierten amerikanischen Journalisten. Kohl winkt ab: 'Die legen mich nicht rein'. JFK-Airport: Journalisten stürzen sich auf ihn. Einer fragt: 'Werden Sie in New York Striptease-Bars besuchen?' Kohl überlegt und meint süffisant: 'Gibt es hier Striptease-Bars?' - Schlagzeile am nächsten Tag: Erste Frage Kohls nach Ankunft in N.Y.: Gibt es hier Striptease-Bars? "