Montag, 14. Februar 2011

8. Kurz und gut

"Ihr könnt predigen, über was ihr wollt, aber predigt niemals über vierzig Minuten", empfahl Martin Luther. Allerdings ist inzwischen die Zeit knapper, die Konzentration geringer und die Autorität - selbst auf der Kanzel - kleiner geworden. Wir ziehen also für jedes Jahrhundert seit der Reformation fünf Minuten ab und kommen auf eine zeitgemäße Faustformel, die da lautet: Man kann über alles reden, nur nicht über 20 Minuten! Alles, was darüber hinaus geht, ist eine Zumutung für alle Beteiligten und braucht deshalb einen ganz besonderen Grund.

"Viel Zeit, viel Ehr" - dieses Motto ist kein solcher Grund. Veranstalter bemessen Redezeiten oft zu lang, weil sie meinen, das schuldeten sie der Bedeutung des Redners. Umgekehrt hören sie nicht selten bei der Vorplanung: "Wenn mein Minister / Vorsitzender / Hauptgeschäftsführer schon auftritt, dann müssen Sie ihm mindestens 30 / 40 / 45 Minuten geben!" Dabei ist eine auf 20 oder 15 oder 10 Minuten begrenzte Redezeit, wenn sie zum Thema und zum Rahmen passt, durchaus keine Majestätsbeleidigung.

Es kommt schließlich auf die Qualität und nicht so sehr auf die Quantität an. Zuviel Quantität geht leicht zu Lasten der Qualität. Oder anders gesagt: Je länger, desto dünner. Wer eine Rede abzusprechen und vorzubereiten hat, sollte also den Versuch nicht scheuen, übertriebene Redezeiten herunterzuhandeln. Vielleicht wird er für faul gehalten, aber das Publikum und der Redner werden es ihm danken.

Allerdings muss so eine Absprache rechtzeitig geschehen. Wenn das Programm einer Veranstaltung erst einmal steht, muss der Redner die vorgesehene Dauer in etwa einhalten. Spricht er zu kurz, entsteht ein Loch im Ablauf; kann er kein Ende finden, wird vielleicht das Essen kalt.

Wie bekommt man es hin, dass ein Manuskript der geplanten Redelänge entspricht? Auch hier hilft eine Faustformel: In fünf Minuten "verbraucht" ein Redner bei normalem Tempo im Durchschnitt etwa 450 Wörter. Wenn man in MS Word den Zähler mitlaufen lässt, hat man beim Schreiben immer im Blick, wie viel Wörter beziehungsweise Minuten noch übrig sind.

Nun wird sich der Redner normalerweise nicht exakt an den Text halten. Aber das, was er weglässt, und das, was er frei hinzu fügt, können wir miteinander verrechnen, so dass es bei 1350 Wörtern Manuskriptlänge  für 15 Minuten Redezeit bleibt. Was am Ende zuviel ist, muss gekürzt werden. Vielleicht reicht es ja schon, alle Sätze zu streichen, die irgendwie dem Redetext des bekannten Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Stiegler ähneln. Die müssen sowieso raus...