Montag, 10. Januar 2011

3. Meinung, Meinung – und ans Publikum denken

Fakten, Fakten – und an den Leser denken! Für ein Nachrichtenmagazin mag das der richtige Slogan sein. Aber für einen hochrangigen Redner, der nicht gerade beim Faktencheck „Stuttgart 21“ auftritt, gilt: Meinung, Meinung - und ans Publikum denken. Wer wirklich hören will, wie sich das Bruttoinlandsprodukt unter besonderer Berücksichtigung der Exporte ins Baltikum und der Importe aus Indochina entwickelt hat, soll einen Ministerialbeamten aus der Fachabteilung oder einen Vertreter des Instituts für Weltwirtschaft einladen.

Von einem Politiker, zumal einem Minister will man erfahren, was er denkt und was er will, was seine Werte und seine Pläne sind. Einschlägige Fakten haben da einen Platz, wenn sie wirklich neu sind und wirklich zum Thema gehören. Aber den Fall wird es selten geben in einer Zeit, da selbst Verfassungsgerichtsurteile mitunter vor der Verkündung bekannt sind.

In der Praxis müssen Reden meistens auf bekannte Fakten aufbauen und sollen doch interessant sein. Das geht nur mit Meinung, Meinung, Meinung! Fakten haben dabei nur eine Berechtigung, wenn sie der Meinung sozusagen dienen: Sie benennen kurz den Gegenstand, der bewertet oder eingeschätzt, verworfen oder gewürdigt, kritisiert oder gelobt werden soll.

Wenn der Schiffbau in Fernost die Werften hierzulande bedroht, worauf läuft das denn hinaus? Wenn unsere Universitäten dieses und jenes Excellenzcluster haben, was sagt das eigentlich aus? Wenn die Wirtschaftsförderinstitute die öffentlichen Finanzhilfen für Unternehmen im letzten Jahr erneut gesteigert haben – ist das wirklich eine gute Nachricht und wenn ja, warum?

Wenn im Manuskript steht, wie viele Kilometer der neue Autobahnabschnitt misst, dann muss sofort ein Satz folgen, der anfängt mit einem "Das heißt..." oder "Das bedeutet... " oder "Ich sehe darin..." In einem Redemanuskript könnte stehen: "21 Kilometer Autobahn geben wir heute für den Verkehr frei"; aber dann sollte eine Wertung folgen: "Und das sind 21 Kilometer mehr in Richtung Polen, 21 Kilometer in Richtung Westen, 21 Kilometer mehr für die Einbindung unseres Landes in den kontinentalen Wirtschaftsverkehr." Zugegeben, es ist ein banales Beispiel, aber man sieht das Prinzip.

Bewertung, Einordnung, gerne auch persönliche Betrachtung - das interessiert die Zuhörer, das hält sie wach. Und wenn der Redner dann zwischendurch auch noch einmal kurz aus dem Nähkästchen plaudert oder wenigstens so tut, dann werden sie geradezu lauschen!

Mit Fakten und Zahlen sollte man in Reden also sparsam umgehen, es sei denn, sie haben einen wohl bedachten Zweck. Dann darf man mit Zahlen auch mal verschwenderisch umgehen wie in diesem schönen Beispiel aus dem Deutschen Bundestag...